Helga Rudolph (Berlin, Deutschland)
Checkliste zur Gestaltung internationaler Warenkaufverträge nach dem UN-Kaufrechtsübereinkommen [ Vorbemerkung ]


a) Vorbemerkung

1. Die nachfolgende Checkliste unter b) soll Orientierungshilfe zur Gestaltung internationaler Warenkaufverträge geben, die dem UN-Kaufrechtsübereinkommen unterliegen. In ihr werden diejenigen Vertragspunkte, zu denen Vertragsvereinbarungen üblich und zweckmäßig sind, aufgelistet, wobei durch Verweise auf den Kommentartext, insbesondere auf die zu einzelnen Artikeln gegebenen Praxishinweise, Anregungen zur inhaltlichen Gestaltung der Vertragsklauseln vermittelt werden.

2. Ob zu sämtlichen in der Checkliste aufgeführten Punkten eine Vereinbarung getroffen werden sollte oder zu weiteren, nicht erwähnten Fragen Vertragsabreden angebracht sind, hängt u. a. ab: von der Art und technischen Kompliziertheit des Vertragsgegenstandes, der Kombination der Warenlieferung mit anderen Leistungspflichten (z. B. mit Montage- oder Wartungspflichten), der Branche, dem Vertragsumfang, den in Betracht kommenden Liefer- und Beförderungsbedingungen, der Dauer und Intensität der Geschäftsbeziehungen zwischen den Vertragsparteien und den dabei gesammelten Erfahrungen, der Zahlungsfähigkeit und Zahlungsmoral des Käufers, der EU-Zugehörigkeit des Sitzlandes der anderen Vertragspartei, den durch das Außenwirtschaftsrecht der betroffenen Staaten gesetzten Bedingungen.

Von diesen und weiteren Faktoren ist nicht nur abhängig, zu welchen Fragen Vertragsvereinbarungen zweckmäßigerweise getroffen werden sollten, sondern auch die inhaltliche Gestaltung der Vertragsklauseln. Außerdem spielen dafür die markt- und konkurrenzbedingte ökonomische Position der Vertragsparteien sowie die Bestimmungen des UNKÜ und des ergänzend anzuwendenden nationalen Rechts eine Rolle. Aus diesen Gründen ist ein allgemeines Vertragsmuster für internationale Warenkaufverträge wenig sinnvoll. Und selbst eine Vertragsgliederung, wie die Checkliste unter b), steht unter dem Vorbehalt, daß sie einer Anpassung an die konkreten Bedingungen des jeweiligen Geschäfts bedarf.

Folgerichtig haben auch internationale Organisationen, die Standardbedingungen/ Vertragsmuster für internationale Warenkaufverträge erarbeitet haben, diese entweder warenspezifisch gestaltet (wie die ECE) oder sich nur auf einzelne Aspekte des Vertrages bezogen (z. B. auf die Lieferbasis, für die die von der ICC herausgegebenen Incoterms Varianten anbieten).

3. Um einen internationalen Warenkaufvertrag wirksam abzuschließen, bedarf es keiner umfangreichen Vereinbarungen; es genügt eine Einigung über Ware, Menge und Preis. Wird bei länger bestehenden Geschäftsbeziehungen und entsprechenden Gepflogenheiten eine solche Einigung stillschweigend herbeigeführt, etwa durch folgende telefonische Absprache: Liefern Sie wie üblich (Käufer)/in Ordnung" (Verkäufer), führt bereits diese zu einem wirksamen Vertragsabschluß. Soweit der Inhalt eines solchen Vertrages nicht durch Gepflogenheiten/Handelsbräuche bestimmt wird, ergibt er sich aus den dispositiven Vorschriften des UNKÜ. Das andere Extrem bilden die oft mehrere hundert Seiten umfassenden Vertragswerke (insb. bei Anlagenverträgen und anderen gemischten oder kombinierten Verträgen), die in langwierigen Vertragsverhandlungen Punkt für Punkt ausgehandelt werden.

Starke Besonderheiten beim Abschluß und bei der inhaltlichen Gestaltung von Verträgen weisen auch Auktionskäufe, Termingeschäfte an Warenbörsen, Käufe auf der Grundlage von Ausschreibungen (Tender) sowie Sonderformen des Kaufs (wie Kauf auf Probe, Rückkauf, Mietkauf) auf.

4. In zahlreichen Branchen ist es üblich, Formularverträge abzuschließen, bei denen die vorgedruckten Hauptvertragspunkte ausgefüllt werden und bei denen üblicherweise auf die Geltung der rückseitig abgedruckten oder beigefügten Allgemeinen Geschäftsbedingungen, auch auf Branchen- oder Verbandsbedingungen, gelegentlich auch auf Allgemeine Bedingungen/Vertragsmuster internationaler Organisationen (z. B. auf Lieferbedingungen der ECE) verwiesen wird.

Bei dieser Art von Verträgen bedürfen vor allem die Allgemeinen Geschäfts-, Branchen- und Verbandsbedingungen einer Anpassung an die Regelung des UNKÜ, vorausgesetzt, diese wird nicht wirksam ausgeschlossen. Die erforderliche Anpassung betrifft sowohl die inhaltliche Gestaltung der AGB-Klauseln als auch die wirksame Einbeziehung der AGB in den Vertrag [...].

5. Eine andere typische Form des Vertragsabschlusses bilden Textverträge, die im Rahmen von Vertragsverhandlungen Punkt für Punkt ausgehandelt oder durch Briefwechsel auf der Grundlage eines mehr oder weniger umfangreichen Angebots, u. U. mit Gegenangebot(en), abgeschlossen werden.

Weitere in der Praxis relativ häufig vorkommende Formen des Abschlusses internationaler Warenkaufverträge sind Abrufverträge, die auf einem Rahmenvertrag basieren, oder Kaufverträge mit Eigenhändlern, für die der Eigenhändlervertrag oft ebenfalls rahmenvertragliche Elemente aufweist, oder Sukzessivlieferungsverträge mit rahmenvertraglichem Charakter.

6. Die Checkliste unter b) unterteilt die Vertragsbedingungen, zu denen im Regelfall Vereinbarungen getroffen werden (sollten), in drei Kategorien:

Die erste (Kategorie A) erfaßt Klauseln, die die hauptsächlichen Rechte und Pflichten der Kaufvertragsparteien sowie die Modalitäten ihrer Erfüllung betreffen. Die Gestaltung dieser Vertragsbedingungen ist wesentlich von den konkreten Bedingungen des jeweiligen Geschäfts abhängig. Sie wird durch das anzuwendende Recht nur wenig beeinflußt, wenngleich sie rechtliche Wirkungen auslöst. Durch die Geltung des UNKÜ bedingte Umstellungen der herkömmlichen Vertragspraxis sind daher bei dieser Kategorie kaum erforderlich. Es handelt sich um solche Vertragsbedingungen, die üblicherweise bei den vorgedruckten Vertragformularen ausfüllungsbedürftig sind.

Die zweite (Kategorie B) erfaßt Gerichtsstands-, Schieds- und Rechtswahlklauseln, die in Textverträgen und AGB meist die Schlußklauseln bilden, aus denen sich jedoch Anforderungen an die inhaltliche Gestaltung der in der dritten Kategorie genannten Klauseln ergeben. Außerdem haben sie Bedeutung für die Wirksamkeit der in der dritten Kategorie erfaßten Klauseln, insbesondere dann, wenn diese in AGB enthalten sind.

Gerichtsstands-, Schieds- und Rechtswahlklauseln sind auch dann nicht entbehrlich, wenn der Vertrag eindeutig vom Geltungsbereich des UN-Kaufrechtsübereinkommens erfaßt wird. Die dritte (Kategorie C) umfaßt schließlich Klauseln, die in erster Linie darauf abzielen, die sich aus dem anzuwendenden Recht ergebende Rechte- und Pflichtenkonstellation der Parteien (vorwiegend bei Vertragsstörungen) zu modifizieren. Bei der Gestaltung dieser Klauseln spielen die divergierenden Verkäufer- und Käuferinteressen eine besondere Rolle. Beide Seiten sind bestrebt, durch entsprechende Vertragsklauseln jeweils zu ihren Gunsten von der gesetzlichen Regelung abzuweichen. Sie dienen aber auch dazu, Unzulänglichkeiten der gesetzlichen Regelung auszuräumen und individuellen Besonderheiten des jeweiligen Geschäfts Rechnung zu tragen, indem sie die sich aus der geltenden Regelung ergebende Rechte- und Pflichtenlage ergänzen, präzisieren oder modifizieren.

Die Klauseln dieser Kategorie sind in relativ starkem Maße vom anzuwendenden Recht abhängig. Herkömmliche, auf BGB/HGB zugeschnittene Vertrags- resp. AGB-Klauseln sollten daher in internationale Warenkaufverträge, die dem UN-Kaufrechtsübereinkommen unterliegen, nicht unbesehen übernommen werden. Die Vertragsklauseln müssen mit der Regelung des UNKÜ harmonieren Das bedeutet zum einen, daß bei der Formulierung der Vertragsklauseln die im Übereinkommen verwendeten Rechtsbegriffe übernommen und davon abweichende Rechtsbegriffe im Vertrag definiert werden sollten. Es bedeutet zum anderen, daß die Vertragsklauseln inhaltlich auf die dispositiven Regeln des Übereinkommens abgestimmt werden, da diese ergänzend eingreifen, wenn im Vertrag Fragen nicht oder nicht erschöpfend geregelt sind und die Lücken auch nicht durch Gepflogenheiten oder Handelsbräuche geschlossen werden. Und schließlich bedeutet dies, daß bei der Gestaltung dieser Klauseln die zwingenden Rechtsvorschriften des besonders über Art. 4 UNKÜ ergänzend eingreifenden nationalen Rechts zu berücksichtigen sind, da sie zur Unwirksamkeit der betreffenden Klausel führen können. Das betrifft weniger individuell ausgehandelte Vertragsbedingungen, sondern in erster Linie AGB-Klauseln; vor allem dann, wenn das ergänzend eingreifende nationale Recht über spezielle Rechtsvorschriften zur Inhaltskontrolle Allgemeiner Geschäftsbedingungen verfügt.

7. Die Reihenfolge, in der die Klauseln im Vertrag/AGB angeordnet werden, ist rechtlich kaum von Belang. Von Belang ist allerdings, ob die Vertragsklauseln im einzelnen ausgehandelt werden oder ob sie in den AGB enthalten sind (zum Begriff Allgemeine Geschäftsbedingungen" nach dem deutschen AGB-Gesetz vgl. § 1 AGBG). Da bei AGB-Klauseln die Gefahr relativ groß ist, daß ihnen die Wirksamkeit versagt bleibt, ist sorgfältig abzuwägen, welche Klauseln in die AGB aufgenommen und welche individuell vereinbart werden sollten.

Bei ergänzender Anwendung deutschen Rechts ist für diese Problematik, außer der Generalklausel des § 9 AGBG, besonders § 4 (Vorrang der Individualabrede) praktisch relevant. Danach ist bei einem Widerspruch zwischen individuellen Vereinbarungen und den AGB die individuelle Vertragsabrede maßgebend. Besonders bei Formularverträgen mit beigefügten AGB kommt es verbreitet vor, daß die individuell gestalteten Vertragsklauseln zu den Vertragspflichten (z. B. zum Liefertermin, zur Höhe des zu zahlenden Kaufpreises, zur Menge und Qualität) definitive Festlegungen treffen, die in AGB-Klauseln abgeschwächt oder zurückgenommen werden (indem sie z. B. Preise oder Liefertermine für unverbindlich erklären). Will man auf solche einschränkenden AGB-Klauseln nicht völlig verzichten, sollte bei den individuell gestalteten Vertragspunkten unter Hinweis auf die jeweilige einschränkende AGB-Klausel die Zulässigkeit von Abweichungen/Anpassungen vermerkt werden (vorausgesetzt, das deutsche AGBG findet ergänzend Anwendung).