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d) Rechtsbehelfe bei Vertragsverletzungen
aa) Aufhebungsrecht Das Aufhebungsrecht nach Art. 49 CISG setzt neben einer wesentlichen Vertragsverletzung - bei Nichtlieferung genügt auch eine erfolglose Nachfrist - voraus, daß der Käufer sein Recht "innerhalb einer angemessenen Frist" ausübt (Art. 49 Abs. 2). Eine feste Praxis zur Dauer dieser Frist, die für die unterschiedlichen Fälle des Art. 49 Abs. 2 CISG wohl unterschiedlich zu bemessen ist (116), hat sich bisher noch nicht gebildet. Eine Frist von knapp zwei Monaten ist bei der Verletzung eines vertraglichen Ausschließlichkeitsrechts freilich als zu ausgedehnt betrachtet worden (117). Nach herrschender Auffassung kann der Käufer unter den Voraussetzungen des Art. 49 CISG stets die Vertragsaufhebung erklären, ohne eine Nacherfüllung nach Art. 48 CISG durch den Verkäufer abwarten zu müssen. Art. 49 geht Art. 48 damit vor (118). Eine Entscheidung des LG Regensburg will dagegen die Vertragsaufhebung nur dann gestatten, wenn der Käufer dem Verkäufer "zuvor die Möglichkeit zur Erfüllung des Vertrages eingeräumt hat" (119). Das ist als Grundsatz abzulehnen; Art. 48 CISG gilt ausdrücklich "vorbehaltlich des Artikels 49", also vorbehaltlich des Aufhebungsrechts des Käufers. Auf ein Nacherfüllungsangebot muß der zur Aufhebung berechtigte Käufer deshalb nicht eingehen. Allenfalls in extremen Fällen kann der Gutglaubensgrundsatz des Art. 7 Abs. 2 CISG anderes gebieten. Der Verkäufer kann über eine Art Nachfristsetzung lediglich Klarheit schaffen (Art. 48 Abs. 2), die Nacherfüllung aber nicht erzwingen. Schließlich ist die Vertragsaufhebung ausgeschlossen, wenn der Käufer die Ware nicht im wesentlichen unversehrt zurückgeben kann (Art. 82 CISG). Ist die Ware allerdings durch ihre Untersuchung oder ihre normale Verwendung zerstört oder verschlechtert worden, bleibt das Aufhebungsrecht bestehen (Art. 82 Abs. 2 CISG). Dem hat der BGH zu Recht den Fall gleichgestellt, daß die Ware durch eine Bearbeitung verbessert worden ist, in deren Verlauf die Eigenschaften der Ware erst untersucht werden konnten (120). bb) Schadensersatz Schadensersatzfragen waren auch in diesem Berichtszeitraum häufiger Gegenstand gerichtlicher Entscheidungen. Allerdings läßt sich hier von "business as usual" sprechen; Auffälligkeiten sind nicht zu berichten. Daß etwa Inkassokosten ersatzfähig sein können (121), dagegen ein Währungsschaden, der durch Kursverfall während Zahlungsverzugs eingetreten ist, ohne weiteren Nachweis eines konkreten Verlustes regelmäßig nicht zu ersetzen ist (122), gehört eher schon zu den Selbstverständlichkeiten des Schadensrechts des CISG. e) Aussetzungsrecht nach Art. 71 Eine beachtenswerte Entscheidung des österreichischen Obersten Gerichtshofs klärt, wann eine Partei ihre Leistungspflichten aussetzen kann, weil die andere Partei voraussichtlich nicht leisten wird (123). Im Gegensatz zu den Vorinstanzen sieht der OGH in einzelnen schleppenden Zahlungen und einer Stornierung eines Überweisungsauftrags zu Recht keinen schwerwiegenden Mangel der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Käufers. Ein Verkäufer begeht dann selbst eine Vertragsverletzung, wenn er seine Lieferpflichten aussetzt. Treten zu den genannten Zahlungsschwierigkeiten aber noch objektive Auskünfte über erhebliche finanzielle Probleme des Käufers hinzu, dann ist ein Aussetzungsrecht gegeben (124). f) Entlastung nach Art. 79 CISG Lieferungshindernisse jenseits des Kontroll- und Risikobereichs des Schuldners entlasten ihn nach Art. 79 CISG zumindest von Schadensersatzansprüchen. Wie schon bisher wird diese Entlastung aber kaum einmal gewährt. So greift Art. 79 nicht zugunsten des Käufers ein, wenn die Transportgefahr bereits auf ihn übergegangen war (125). Eine Verdreifachung des Marktpreises genügt nicht, um den Verkäufer von seiner Beschaffungspflicht zu entlasten, jedenfalls dann nicht, wenn der Handel mit diesen Waren stark spekulative Züge trägt (126). g) Zinsen, Art. 78 CISG Die Frage nach der Höhe des geschuldeten Zinssatzes, die Art. 78 ja offenläßt, wird im Schrifttum vielfach und ausführlich erörtert (127). Dabei werden durchaus divergente Lösungen vorgeschlagen (128). Im Berichtszeitraum hat die Rechtsprechung der staatlichen Gerichte den Zinssatz jedoch ganz überwiegend - wie übrigens schon bisher - (129), nach dem vom IPR berufenen nationalen Recht bestimmt. Daneben finden sich nur vereinzelt andere Ansätze, die den Zinssatz nach dem Recht am Sitz des Käufers oder des Verkäufers oder jenem im Staat der Vertragswährung bemessen (131).
(116) Vgl. Huber, in: von Caemmerer/Schlechtriem (Fn. 30) Art. 49 Rz. 44 ff.; Piltz (Fn. 32) ยง 5 Rz. 282; Magnus, in: Staudinger (Fn. 30) Art. 49 Rz. 38; Schnyder/Straub, in: Honsell (im Text vor Fn. 21) Art. 49 Rz. 38 ff.
(117) OLG Koblenz vom 31.1.1997, OLGR Koblenz 1997, 34. (118) Huber, in: von Caemmerer/Schlechtriem (Fn. 30) Art. 48 Rz. 14; Herber/Czerwenka (Fn. 30) Art. 48 Rz. 9; Honold (Fn. 108) Rz. 296; Schnyder/Straub, in: Honsell (im Text vor Fn. 21) Art. 48 Rz. 37; Magnus, in: Staudinger (Fn. 30) Art. 48 Rz. 17). (119) LG Regensburg 24.9.1998, ForInt 1998, 109 f. (120) BGH vom 25.6.1997, RIW 1997, 1037 ff. (121) Hof 's-Hertogenbosch vom 2.10.1997, NIPR 1998 Nr. 103. (122) Hof Arnhem 15.4.1997, NIPR 1998 Nr. 101. (123) OGH vom 12.2.1998, JBl 1999, 54 mit Anmerkung Martin Karollus. (124) OGH aaO., 56. (125) Schiedsgericht der Ungarischen Industrie- und Handelskammer vom 10.12.1996, CLOUT Nr. 163. (126) OLG Hamburg vom 28.2.1997, OLGR Hamburg 1997, 149 ff. (127) Vgl. Ursula Königer, Die Bestimmung der gesetzlichen Zinshöhe nach dem deutschen internationalen Privatrecht. Eine Untersuchung unter besonderer Berücksichtigung der Artt. 76 und 84 I UN-Kaufrecht (CISG) (1997); Volker Behr, The Sales Convention in Europe: From Problems in Drafting to Problems in Practice, The Journal of Law and Commerce (JLC) 1998, 263 ff.; Franco Ferrari, Uniform Application and Interest Rates Under the Vienna Sales Convention, Georgia Journal of International and Comparative Law 1995, 467 ff.; Christian Thiele, Interest on Damages and Rate of Interest Under Article 78 of the U.N. Convention on Contracts for the International Sale of Goods, Vindobono Journal 1998, 3 ff. (128) Vgl. die in der vorigen Fn. Zitierten. (129) Vgl. den letzten Bericht in ZEuP 1997, 846. (130) Etwa OLG Koblenz vom 31.1.1997, OLGR Koblenz 1997, 37 ff.; OLG München vom 11.3.1998, ForInt 1998, 106 (insoweit dort nicht abgedruckt); Handelsgericht Zürich vom 10.7.1996, SZIER 1997, 131 f.; Tribunal Wallis vom 28.10.1997, SZIER 1998, 77 f.; Handelsgericht Aargau vom 26.9.1997, SZIER 1998, 78 ff.; Kantonsgericht Nidwalden vom 12.11./3.12.1997, SZIER 1998, 81; Hof Arnhem vom 15.4.1997, NIPR 1998 Nr. 101. (131) Für Zinssatz am Sitz des Verkäufers Handelsgericht Zürich vom 5.2.1997, SZIER 1998, 75 ff.; für Zinssatz am Sitz des Käufers Tribunal cantonal Waadt vom 11.3.1996, SZIER 1998, 82 f.; für Zinssatz des Staates, dessen Währung vereinbart ist: Schiedsgericht der Ungarischen Industrie- und Handelskammer vom 5.12.1995, CLOUT Nr. 164. |