Prof. Dr. iur. Peter Schlechtriem (Universität Freiburg, Deutschland)
Einleitung


In diesen Wochen jährt sich zum zwanzigsten Mal der Zeitraum, in dem - vom 10.10. - 11.4.1980 - die endgültige Fassung des Übereinkommens der Vereinten Nationen über Internationale Warenkaufverträge von einer UN-Konferenz erarbeitet und verabschiedet wurde. Damit ist ein Werk zum Abschluß gebracht worden, das im Internationalen Institut für die Vereinheitlichung des Privatrechts in Rom unter der Ägide des Völkerbundes 1927 auf Initiative von Ernst Rabel begonnen worden war. Die Vereinheitlichung des Rechts für grenzüberschreitenden Warenkauf war angesichts der wachsenden Verflechtung der internationalen Märkte und der Zunahme des grenzüberschreitenden Warenverkehrs ein zwingendes Gebot, doch war im April 1980 trotz der langen Vorgeschichte und der außerordentlich gründlichen Vorarbeiten zu diesem Einheitlichen UN-Kaufrecht durchaus ungewiß, ob aus dem Übereinkommen tatsächlich geltendes Recht von einiger Bedeutung werden würde. Auch als nach der Hinterlegung der Ratifikationsurkunden Italiens, der USA und China das Übereinkommen am 1. Januar 1988 in Kraft treten konnte, war noch nicht gesichert, daß es wirklich praktische Bedeutung gewinnen würde. Inzwischen steht jedoch fest, daß das Übereinkommen ein großer und in dieser Form von seinen Verfassern vielleicht erhoffter, aber nicht sicher erwarteter Erfolg geworden ist. Mehr als 50 Staaten haben das Einheitliche Kaufrecht in Kraft gesetzt, und man schätzt, daß etwa 2/3 des Weltwarenhandels vom Übereinkommen erfaßt werden, soweit die Parteien es nicht abbedungen haben. Eine nicht mehr überschaubare Vielzahl von Gerichtsentscheidungen beweist die praktische Bedeutung, eine Reihe großer Kommentare haben das Übereinkommen wissenschaftlich aufgearbeitet, und die Bibliographie der Aufsätze, Beiträge usw. zum CISG füllt selbst einen eindrucksvollen Band. Darüber hinaus hat das Einheitskaufrecht als Modell für eine Reihe nationaler Reformen des Kaufrechts gedient, seine Grundstrukturen haben die Principles of European Contract Law und die Principles of International Commercial Contracts stark beeinflußt, und zentrale Begriffe haben Eingang in die Richtlinie der Europäischen Gemeinschaften zum Verbrauchsgüterkauf gefunden. Das Einheitskaufrecht ist also nicht nur lex mercatoria, sondern Kristallisationskern einer weltweiten Rechtsvereinheitlichung des Vertragsrechts geworden, deren Geschichte gerade erst begonnen hat.

In der Rezeption und literarischen Begleitung des Einheitskaufrechts lassen sich drei Phasen unterscheiden: Zunächst ging es darum, das Übereinkommen, seine Grundstrukturen und Detailregelungen den Juristen des jeweils eigenen Landes zu vermitteln und dabei vor allem zu verdeutlichen, ob und wo das Einheitskaufrecht vom heimischen Kaufrecht abweicht. Es ging also im Wesentlichen um Vermittlung des Inhalts, um Juristen, die keine Ausbildung im Einheitskaufrecht erfahren haben konnten, Verständnis und Anwendung des neuen Rechts zu erleichtern.

Eine zweite Phase ist wohl dadurch gekennzeichnet, daß erste Probleme des Übereinkommens deutlich wurden und dafür - insbesondere in Anwendung des Art. 7 Abs. 1 und Abs. 2 CISG - sachgerechte Lösungen gefunden werden mußten. Nicht zuletzt die ersten Gerichtsentscheidungen ließen nicht nur erkennen, wo die für die Praxis zunächst relevanten Fragen zu beantworten waren - etwa im Bereich der Anwendungsvoraussetzungen, in dem jeweils die erste Berührung mit CISG-Vorschriften geschieht -, sondern machten auch bereits erste Sachfragen deutlich, für die das Übereinkommen keine ganz einfachen und glatt anzuwendenden Lösungen bereit hält. Diese Phase wird natürlich nie ganz abgeschlossen werden können, weil immer wieder neue Auslegungsprobleme deutlich werden dürften und auch Lücken des Übereinkommens dort entstehen, wo neue Techniken neue Fragen stellen, etwa e-commerce für den Abschluß von Verträgen. Damit hat aber auch bereits die dritte Phase des wissenschaftlichen und praktischen Umgangs mit dem Einheitskaufrecht begonnen, d.h. seine Weiterentwicklung und Anpassung an neue Formen des grenzüberschreitenden Warenhandels, aber auch u.U. die Neubewertung von Interessen der beteiligten Parteien.

Die damit Wissenschaft und Praxis anvertraute Aufgabe setzt umfassende Informationen oder doch Informationsmöglichkeiten über das, was auf der Grundlage des CISG entschieden und als wissenschaftliche Auseinandersetzung mit seinen Regeln veröffentlicht worden ist, voraus. Ein unverzichtbares Hilfsmittel zu dieser unerläßlichen Information bzw. Informationsmöglichkeit sind heute online erreichbare Datenbanken wie die des Herausgebers dieser Festschrift. Ihm ist deshalb aufrichtig Dank und Anerkennung für seine Initiative zu dieser Festschrift und seine eindrucksvolle Arbeit zu zollen.